Der Mangel an Wohnraum und insbesondere an bezahlbarem Wohnraum stellt derzeit mit das größte Problem für Jena dar. Bereits jetzt kann die Stadt für die vielen Studenten und Pendler nicht genug Wohnungen zur Verfügung stellen, weswegen das Umland immer stärker als Puffer für die Wohnungprobleme von Jena herhalten muss. Das belastet nicht nur die Straßen und den öffentlichen Nahverkehr, sondern auch die Menschen.

Rein politisch ist die Situation klar: Alle Parteien in Jena kennen die Wohnraumproblematik und haben sich auf die Fahnen geschrieben, diese möglichst bald zu lösen. Leider schlägt sich dies in der geplanten Bebauung des Eichplatzes kaum nieder.

Im aktuellen Entwurf des Bebauungsplanes für den Eichplatz sind Werte von rund 7 Prozent als Mindestanteil von Wohnraum, bezogen auf den gesamten neu zu bebauuenden Bereich, angegeben. Maximal wären 20 Prozent der Fläche als Wohnraum bebaubar. Der Rest steht für Geschäfte und Büros zur Verfügung. Bei Nachfragen im Stadtentwicklungsausschuss wurde präzisiert, dass unter Umständen sogar nur 3 Prozent als Minimum für Wohnraum genutzt werden müssen. Vor dem Hintergrund des aktuellen Mangels an Wohnraum sind diese Zahlen sehr niedrig. Einer Erhöhung des Mindest-Wohnraumanteils wollten aber weder SPD, CDU noch die Grünen zustimmen.

Ein Grund für diese Diskrepanz zwischen den Aussagen und der tatsächlichen Umsetzung könnte in der Anfang des Jahres veröffentlichten Machbarkeitsstudie zum Eichplatz liegen. In der Diskussion um diese Studie wurde unter anderem festgehalten:

„… dass einige Investoren die Nutzung „Wohnen“ nicht in ihrem Portfolio haben. …“

Bei einer Erhöhung des Mindestwohnraumanteils für den Eichplatz besteht damit also die Gefahr, bestimmte Investoren abzuschrecken. Oder um es umzukehren: Wenn man auf Wohnraum verzichtet, bekommt man eventuell mehr Investoren, die sich für eine Bebauung des Eichplatzes bewerben. Möglicherweise sind die Einnahmen aus dem Verkauf der Eichplatzgrundstücke dann auch nicht mehr so hoch, wenn man die großen Investoren ausschließt.

Rein wirtschaftlich gedacht hört sich dieser Ansatz durchaus plausibel an. Aus stadtplanerischer Sicht stellt sich aber schon die Frage, ob man Grundstücke in bester Lage in der Jenaer Innenstadt wirklich an Investoren vergeben soll, die keinen Wohnraum schaffen wollen. Zwar wird die Bebauung des Eichplatzes die generelle Situation langfristig nicht alleine lösen können. Trotzdem sollte das Ziel der Schaffung von mehr Wohnraum auch am Eichplatz eine Rolle spielen. Der Stadtrat selbst hat im Stadtentwicklungskonzept von 2002 (Nr.02/02/33/0821) festgehalten:

… die Attraktivität des Wohnstandortes Jena muss weiter gesteigert werden;
… Kernstadt und Zentrum sollten stärker als Wohnstandort entwickelt werden;
… eine qualitative und nachfragegerechte Verbesserung des Wohnungsangebotes (ist) notwendig;

Der Oberbürgermeister hat in der Debatte zugesagt, bei der Auswahl potentieller Investoren auch darauf zu achten, welche Konzepte einen hohen Wohnraumanteil mitbringen. Die Entscheidung darüber wird wahrscheinlich 2011 separat gefällt. Bereits jetzt könnte man aber schon die Weichen für mehr Wohnraum am Eichplatz stellen, wenn die Vorgaben im Bebauungsplan entsprechend angehoben würden. Sonst läuft Jena Gefahr, dass 2011 nur Konzepte mit minimalen Wohnraumanteil zur Verfügung stehen und eine Auswahl mit mehr Wohnungen am Eichplatz gar nicht möglich ist.